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Geschichte der Fuldaer Volkszeitung (1945-1974)

| Geschichten, Ausstellung | | Nachkriegszeit

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zielte die Militärregierung auf eine Demokratisierung aller Ebenen und Bereiche. Eine zentrale Rolle spielten dabei auch eine demokratische Presse und ein freier Rundfunk.

Durch das Verbot aller Medien gaben die Amerikaner zunächst das „Amtliche Mitteilungsblatt für Stadt- und Landkreis Fulda“ heraus, um die Bevölkerung über Nachrichten aus der Stadtverwaltung und Bekanntmachungen zu informieren. Die Amerikaner begannen darauf mit der Lizenzierung von Zeitungen, die unter der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung standen.

Lizenz zur Herausgabe der Fuldaer Volkszeitung

Der Verleger Heinrich Kierzek

In Fulda erschien ab Oktober 1945 die Fuldaer Volkszeitung des Verlegers Heinrich Kierzek (1909-1975). Dieser erhielt die Lizenz zur Herausgabe der achten Zeitung in der amerikanischen Besatzungszone. Kierzek arbeitete als Redakteur bei der Tageszeitung "Echo der Gegenwart" in Aachen, bis zum Verbot 1935. Nach Kriegsende befreiten ihn die Amerikaner aus politischer Haft und setzten den Journalisten als Leiter der für die Entnazifizierung zuständigen „Special Branch“ in Fulda ein.

Die Herausgabe der Fuldaer Volkszeitung

Die Fuldaer Volkszeitung wurde im neu gegründeten Verlag Heinrich Kierzek veröffentlicht, ab 1949 Fuldaer Verlagsanstalt GmbH. Die erste Ausgabe erschien am 31. Oktober 1945 mit einer Auflage von 32.000 Exemplaren in den Kreisen Fulda, Schlüchtern, Lauterbach, Alsfeld, Hünfeld und Hersfeld.

In der Erstausgabe der Fuldaer Volkzeitung schrieb Heinrich Kierzek in dem Artikel „Befreite Presse“:

„Nur ein politisch reifes Volk kann jedoch auf die Dauer die Demokratie behaupten. Ehe unser Volk soweit ist, muß noch viel Aufklärungs- und Erziehungsarbeit geleistet und viel Schutt und Geröll beseitigt werden, die heute noch auf den Seelen der Menschen lasten. Wir sind uns bewußt, daß den Zeitungen dabei eine der wichtigsten Aufgaben zufällt und wollen uns ihrer mit allem Ernst und aller Kraft unterziehen.“

Das Gebäude am Peterstor 18-20 war bis zum Wiederscheinen der Fuldaer Zeitung im Jahr 1951 der Sitz der Redaktion und Produktion der Fuldaer Volkszeitung. Am 30. Juni 1974 stellte die Zeitung ihr Erscheinen ein.

Interview mit Matthias Kierzek

Die an Heinrich Kierzek verliehene Lizenz war ein zentrales Objekt in der Ausstellung „Als die Demokratie zurückkam – 75 Jahre Verfassung in Hessen und Fulda“ (15. Juli 2021 – 9. Januar 2022) im Vonderau Museum. Der Sohn des Verlegers und ab 1975 selbst Geschäftsführer der Fuldaer Verlagsanstalt GmbH, Matthias Kierzek (*1950), stellte dem Museum das Objekt als Leihgabe zur Verfügung. In diesem Rahmen berichtete er auch über die Objektgeschichte:

Auf welche Weise wurde die Lizenz an Sie weitergegeben?

„Die Lizenz wurde meinem Vater von der amerikanischen Militärregierung erteilt. Sie verlor allerdings bereits 1949 ihre rechtliche Bedeutung und Wirksamkeit, als die Generallizenz jedem das Recht einräumte, eine Zeitung herauszubringen. Unberührt davon hatte mein Vater bzw. die Fuldaer Verlagsanstalt danach allein schon aus wettbewerblichen Gründen das alleinige Recht an diesem Titel. Es erlosch mit der Einstellung am 30. Juni 1974. Der Titel konnte also an mich nicht mehr übertragen werden, wirtschaftlich sah ich zu einer Neubelebung auch keine Rechtfertigung. Heute könnte es jeder mit einer Fuldaer Volkszeitung neu versuchen außer mir, da ich mich gegenüber der Fuldaer Zeitung zu einem Verzicht darauf verpflichtet habe.“

Was verbinden Sie mit der Lizenz und wofür steht die Lizenz heute?

„Die Lizenz ist ein wichtiges historisches Dokument und ist für mich, wie für meinen Vater, der Ausgangspunkt, ja die Startbedingung unserer selbständigen beruflichen Aktivität. Sie stand für das Vertrauen in eine zutiefst demokratische Grundhaltung, was Denken und Handeln von uns beiden immer bestimmt hat.“

Welche Bedeutung hat die Lizenz für Sie und Ihre Familie?

„Die Lizenzurkunde hängt seit Jahrzehnten in unserem Haus als bleibende Erinnerung an das Ereignis, dem meine Familie die wirtschaftliche Existenz und das materielle Wohlergehen verdankt.“

Verwendete Quellen und Literatur:

  • Ausstellung „Als die Demokratie zurückkam – 75 Jahre Verfassung in Hessen und Fulda“ im Vonderau Museum Fulda (15.7.-9.1.2022).
  • Berge, Otto: Zum Verbot der Fuldaer Zeitung: vor 60 Jahren, Buchenblätter 68, 1995, H. 13, 30, 05, S. 51, 1995.
  • „Erste Ausgabe der „Fuldaer Volkszeitung“, 31. Oktober 1945“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/3469> (Stand: 31.10.2020).
  • Fuldaer Volkszeitung, Jg. 1945 (Stadtarchiv Fulda)
  • Fuldaer Zeitung (Hg.): 125 Jahre Fuldaer Zeitung, Fulda 1999.
  •  „Matthias Kierzek“, in: Munziger-Archiv GmbH, Ravensburg <http://www.munzinger.de/document/00000024454> (Stand: 15.12.2021).
  • Parzeller & Co. (Hg.): Schreiben und drucken in Fulda: 1874-1974; Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Fuldaer Zeitung und des Verlages Parzeller & Co. (vormals Fuldaer Actiendruckerei), Fulda 1973.
  • Schmitt, Thomas: Die Geschichte der Fuldaer Zeitung, in: Geschichte der Stadt Fulda, Bd. 2, Fulda 2008, S. 528-540.
  • Schmitt, Thomas: „Fuldaer Volkszeitung“, in: Fuldaer Geschichtsverein e.V. (Hg.): Fulda – Das Stadtlexikon, Fulda 2018, S. 165f.
  • Welsch, Eva-Juliane: Die hessischen Lizenzträger und ihre Zeitungen, Univ., Diss., Dortmund 2002, S. 183-217.

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