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Liselotte Röder: Fuldaer Stadtverwaltung nach 1945

Liselotte Röder - Zeitzeuge
Porträt von Liselotte Röder (c) Vonderau Museum Fulda

Der folgende Beitrag wurde von Liselotte Röder (*1926) am 16. Januar 2006 in Fulda verfasst und im Rahmen des Dokumentationsprojekts „Fulda erzählt“ im November 2020 an das Vonderau Museum übergeben. Der handschriftliche Text ist nachfolgend in der Transkription aufgeführt und wurde Zwischenüberschriften ergänzt:

Stadtverwaltung während des Zweiten Weltkrieges

Außer Lehrlingen und Frauen waren nur Männer im vorgerückten Alter in den einzelnen Dienststellen tätig. Alle waren im Krieg. Regiert wurde zu dieser Zeit die Stadtverwaltung von Bürgermeister und Kreisleiter Ehser (NSDAP-Mann). Die Stelle des Oberbürgermeisters, die vor meiner Zeit schon Dr. Franz Danzebrink inne hatte, war verwaist, da der Genannte als Hauptmann im Kriegseinsatz war. Dr. Danzebrink war zu jener Zeit der jüngste OB Deutschlands. In der zweiten Hälfte des Jahre 1944 kam Dr. Danzebrink vom Kriegseinsatz zurück und ich war von diesem Zeitpunkt an in seinem Vorzimmer tätig.

Luftangriffe 1944 und Kriegsende in Fulda

In 1944 waren dann auch die größeren Luftangriffe auf Fulda […]. Es reihte sich zu diesem Zeitpunkt oft Fliegeralarm an Fliegeralarm, so dass an ein geregeltes Arbeiten kaum zu denken war. Auch die Bediensteten der Verwaltung mussten im Wechsel Tag und Nacht bei Vor- und Hauptalarm zum Bereitschaftsdienst in den Luftschutzkeller des Schlosses eilen. (Ich meistens mit dem Fahrrad). Die Straßen waren abends alle verdunkelt. Menschen, die in der Nacht unterwegs waren, trugen eine kleine Leuchtplakette an der Kleidung. (Wie Glühwürmchen kam es einem vor). So konnte man nicht mit einem Entgegenkommenden zusammenstoßen. Bis April 1945 wurden die Alarme immer mehr und immer mehr Menschen waren obdachlos.

Am 2. Ostertag, nachdem wir seit Karfreitag die Zeit im Keller verbrachten, war es dann soweit. General Hofmann, der Stadtkommandant von Fulda, übergab unsere Stadt kampflos den Amerikanern, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Jetzt zog die kämpfende amerikanische Truppe in Fulda ein. Die vordere erste Etage des Schlosses in Richtung Hotel Kurfürst wurde von den Amerikanern für den Sitz der Militär-Regierung beschlagnahmt, nachdem vorher schon die Angehörigen der Nazi-Kreisleitung das Weite suchten. Jetzt hatten die Amis das Sagen und überall bestimmten sie mit.

Stadtverwaltung nach 1945

Bei der Stadt wurde ein Dolmetschbüro eingerichtet, in dem Lehrer von Oberschulen oder auch Oberschüler, die die englische Sprache gut beherrschten, eingesetzt. Jedes Schriftstück, das die Amis von uns bekamen musste ja erst übersetzt werden.

Nun begann auch die „Entnazifizierung“ der Bediensteten. Manche, denen eine Tätigkeit in der NSDAP nachgewiesen wurde, bekamen ihre Entlassung. Die Mehrzahl der Leute konnte aber als sogenannte „Mitläufer“ ihren Dienst weiter versehen. Auch Oberbürgermeister Dr. Danzebrink wurde aufgrund der Tatsache, dass er im Nazireich OB war, von seinem Posten abgesetzt, obwohl er nie Nazi war. Nun kam mein zweiter Chef, Bankdirektor Erich Schmidt als kommissarischer OB an die Verwaltung, der aber gleich betonte, diesen Posten nur vorübergehend zu übernehmen. Er ließ sich auch nicht als Herr Oberbürgermeister anreden, sondern er war für uns „Herr Schmidt“.

In dieser Zeit kamen viele Veränderungen in die Verwaltung. Da die erste Zeit nach dem Krieg Deutschland in 4 Besatzungszonen eingeteilt war, ist bei mir im Vorzimmer zusätzlich eine Passierscheinstelle eingerichtet worden. Wenn eine Firma z.B. von hier in die englische oder französische Zone Waren transportieren wollte, ging das alles über die Militär-Regierung und alle Scheine mussten hier in Englisch ausgestellt und an das M.G. zur Genehmigung weitergeleitet werden. […] Ich schrieb die Scheine.

Eine weitere Stelle, die mir in Erinnerung ist, war die Betreuungsstelle für „displaced people“ – Leute, die aus dem KZ kamen oder Zwangsarbeiter, hatten hier ihren Anlaufpunkt zur Wiedergutmachung. Ferner wurde die Flüchtlingsdienststelle mit dem „Flüchtlingskommissar“ Hitzel eingerichtet, um Heimatvertriebenen und Flüchtlingen aus dem Osten die allernötigste Versorgung zu geben.

Ebenso war das Wohnungsamt eine eigene Dienststelle, bei der viele Ausgebombte und Vertriebene im Rahmen des Möglichen eine bescheidene Bleibe erhielten, was bei der großen Wohnungsnot mehr als schwierig war. Für Lebensmittel, Hausrat und Bekleidung gab es das „Ernährungs- und Wirtschaftsamt“, das schon im Krieg bestand, aber jetzt fast noch wichtiger war, da die ganze Lage noch viel schlimmer war als vorher.

Oberbürgermeister Erich Schmidt blieb etwa ein Jahr auf dem Posten. Nun kam mein dritter Chef Dr. Cuno Raabe, der von 1946 bis 1956 OB von Fulda war. Erst nach der Währungsreform im Jahre 1948, wo wir alle mit 40 DM begannen, ging es langsam aufwärts. Die deutschen Stellen konnten auch wieder selbständiger handeln.

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