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Not macht erfinderisch – Über die Entstehung der „Bastelfenster“

| Sammlung, Ausstellung | | Nachkriegszeit

„Glas ist nicht vorhanden und voraussichtlich auch in nächster Zeit auch nicht zu erhalten“, steht im Verwaltungsbericht der Stadt Fulda für das Jahr 1945. Das Material war knapp und erschwerte den Wiederbau.

 

Vom Oberlicht zum Museumsobjekt

Als Fridolin Zint (1907-1985), Ingenieur beim Wasserwirtschaftsamt Fulda, aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, war seine Wohnung von den Besatzern beschlagnahmt. Zint lebte mit seiner Familie in einer zugewiesenen Wohnung im Stift Wallenstein (Palais Buseck) am Bonifatiusplatz. Dort reparierte er vieles. Kurzzeitig war er Ende 1945 auch für das Stadtbauamt Fulda tätig und leistete zahlreiche Instandsetzungs- und Wiederaufbauarbeiten. Aus Glasresten und Holzleisten setzte er Fensterscheiben zusammen.

Ein Oberlichtfenster aus dieser Zeit ist im rechten Treppenhaus-Anbau des Palais Buseck über dem Eingang einer früheren Gärtnertoilette erhalten geblieben. In Vorbereitung der Ausstellung „Als die Demokratie zurückkam“ und als Objekt für die Sammlung des Vonderau Museums wurde es dort schließlich im Frühjahr 2021 durch das städtische Gebäudemanagement und die Tischlerei Wehner nach den Vorgaben des Denkmalschutzes ausgebaut.

 

Joachim Zint erzählt

Der Sohn von Fridolin Zint, Joachim Zint (*1937), hatte sich im Rahmen des Aufrufs für das Projekt „Fulda erzählt“ im Juli 2020 als Zeitzeuge gemeldet und dem Museum auch von der Entstehung des Fensters berichtet:

 „[…] wir wurden vom Wohnungsamt in das Stift Wallenstein, Bonifatiusplatz 4, eingewiesen. Mein Vater wurde dort bald eine Art „Hausmeister“, dessen Fähigkeiten die Stiftsdamen überall einsetzten: Klingelleitungen legen, Briefkästen basteln und einbauen usw. Vor allem galt es die vielen Fensterscheiben zu ersetzen. Aber woher das knappe Glas nehmen? Mein Vater verstand es, jeden Glasrest in kleine Quadrate zu schneiden und mittels Holzleisten zu Fensterscheiben zusammenzusetzen. So hat er 1945 viele Fenster aus Glasresten ‚gebastelt‘. […] Die meisten dieser Fenster sind in den Nachkriegsjahren bald verschwunden, als es wieder genug Glas gab.“

Ein weiteres Fenster hatte sich an der ehemaligen Stadtschule (heute Vonderau Museum) erhalten. Dort reparierte Fridolin Zint während seiner Hilfsarbeitertätigkeit in den Jahren 1945/46 zeitweise Fenster und Öfen der Schulklassen. Beim Umbau des Gebäudes zum Museum in den 1980er Jahre wurde das oberste, vierte Geschoss entfernt, sodass das Fenster heute nicht mehr vorhanden ist. Das Foto zeigt ein Fenster, das aus kleinen Glasscheiben von Fridolin Zint zusammengesetzt wurde, an der Ecke Steinweg / Kasernengässchen um 1980.